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Eltern im Unterricht, Schulbesuch ist Beistandspflicht - Szenario Hasselbach: die große Tagung der Schulleiter in Sachsen-AnhaltSchulen mögen glauben, Eltern im Unterricht nach Belieben aussperren zu können – doch Art. 6 GG und § 1618 BGB machen klar: Eltern sind nicht Gäste, sondern gesetzlich verpflichtete Beistände. Pädagogische Bedenken? Egal. Wer das Grundgesetz ignoriert, ignoriert die Realität.
„… dennoch bin ich sehr zuversichtlich, dass wir die bestehenden Herausforderungen gemeinsam bewältigen werden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!“, beendete Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Hasselbach seine Rede. Der Applaus fiel allerdings bei dieser Tagung aus. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Eingeladen und gekommen waren Schulleiterinnen und Schulleiter, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Landrätinnen und Landräte mit ihren Bildungsverantwortlichen aus dem gesamten Bundesland. Götz Bibra übernahm das Wort: „Ja, soweit vielen Dank an unseren Ministerpräsidenten Reiner Hasselbach. Wie er schon sagte, stehen wir vor großen Herausforderungen. Ich darf mich noch einmal kurz vorstellen: Mein Name ist Götz Bibra. Ich bin Dezernent im Bildungsministerium und möchte versuchen, diese Tagung zu moderieren.“ Die Anwesenden schauten Bibra ohne Regung an. Bibra fuhr fort: „Am Anfang würde ich gern bitten, auch wenn dies zum großen Teil schon schriftlich erfolgte, dass wir noch einmal zusammentragen, was die derzeitigen Probleme sind, sodass wir in einen regen Erfahrungsaustausch gehen können und gemeinsam Lösungsansätze finden. Ich bitte um Wortmeldungen und darum, an die Mikrofone zu treten. Oh, da ist schon einer. Bitte schön.“ Sichtlich aufgebracht polterte Klaus Tauhardt los: „Herr Ministerpräsident, Ihre Worte bringen uns leider nicht weiter. Ich bin Leiter einer Grundschule.“ Bibra fiel ihm ins Wort: „Könnten Sie uns bitte Ihren Namen nennen?“ „Tauhardt, mit D-T“, sagte Tauhardt und blickte nach vorn. Es schien jedoch niemand Notizen bezüglich seines Namens zu machen. Nach ein paar Sekunden sprach er weiter: „Wir haben derzeit nur eine 50-prozentige Lehrkräfteabdeckung. Die Lehrkräfte werfen einer nach dem anderen das Handtuch. Wir hatten eine neue Lehrerin, die eine erste Klasse übernommen hatte. Sie hat nicht einmal den ersten Unterrichtstag überstanden. Sie kam in die Klasse und hatte neben den 27 Schülerinnen und Schülern noch einmal 26 Eltern im Klassenraum. Die Eltern hatten ihre Kinder auf dem Schoß. Die Lehrerin hat das einfach nicht verkraftet.“ Götz Bibra warf die Frage ein: „Was ist konkret vorgefallen?“ „Die Lehrerin wollte die Sitzordnung klären. Das war gar nicht möglich. Die Eltern hatten ihre Kinder alle auf dem Schoß, weil gar kein Platz war. Und teilweise hatten sich die Eltern verabredet, neben wem ihre Kinder sitzen sollten. Nicht einmal die Sitzordnung war machbar. Und immer wenn die Lehrerin ein Kind auf einen anderen Platz setzen wollte, ging ein Raunen durch die Elternschaft“, führte der Schulleiter aus. Bibra fragte nach: „Wie haben Sie als Schulleiter reagiert?“ „Ich konnte gar nichts machen. Die Lehrerin kam 15 Minuten nach Beginn der ersten Stunde zu mir und hatte sich krank gemeldet. Das ist sie nun seit Schuljahresbeginn.“ Bibra warf ein: „Hatten Sie die Lehrerin darauf aufmerksam gemacht, dass laut Erlass vom … ähm … laut dem Runderlass Burnout nicht mehr als Krankheit anerkannt wird?“ „Ich bitte Sie“, fuhr Tauhardt fort, „die Lehrkräfte sprechen das doch mit ihren Ärzten ab. Wenn Burnout nicht als Diagnose gilt, dann schreiben die eben etwas anderes drauf.“ Bibra versuchte, das Thema abzuwenden: „Ich sehe dort eine weitere Wortmeldung. Bitte schön!“ Eine Schulleiterin stand am Mikrofon: „Ja, hallo. Mein Name ist Steinburg. Ich muss Herrn Schulleiter Tauhardt recht geben. Wir hatten auch den Fall, dass Lehrkräfte, als sie sahen, welche Eltern im Unterricht anwesend sein würden, noch vor Unterrichtsbeginn zu mir kamen und sich krank meldeten.“ Bibra fragte nach: „Hatten auch Sie auf den Runderlass bezüglich Burnout verwiesen?“ „Aber so etwas bringt doch nichts!“, erwiderte Steinburg. „Das ist ja auch sehr unterschiedlich. Bei manchen Lehrkräften sitzt fast bei jedem Kind ein Elternteil im Unterricht dabei. Bei anderen Lehrkräften sind es nur wenige Eltern. Und dort, wo viele Eltern im Unterricht dabei sind, drehen die Kolleginnen und Kollegen durch. Sie behaupten, die Eltern hätten sich abgesprochen oder sogar verschworen.“ Bibra fragte auch hier nach: „Wer behauptet, dass sich die Eltern abgesprochen haben?“ Steinburg antwortete: „Ich habe da auch schon Dinge aus Gruppen-Chats auf WhatsApp gesehen. Manche Lehrkräfte sollen gezielt fertiggemacht werden.“ Bibra schaute zu Ministerpräsident Hasselbach und wollte es genauer wissen: „Wie wollen die Eltern manche Lehrkräfte fertig machen?“ Steinburg sagte: „Na, einfach durch die Anwesenheit. Wenn da 25 oder 26 Augenpaare die Lehrkraft permanent verfolgen und auf jedes Wort, jede Regung und jede Betonung achten – das stresst.“ Bibra fragte: „Die Augenpaare der Schüler, die die Lehrkräfte verfolgen? Die Schüler sollen doch auch aufpassen. Das ist doch gut!“ „Nein!“, sagte Steinburg. „Die Augenpaare der Eltern! Das müssen Sie mal erleben! Ja, und wenn Lehrkräfte morgens plötzlich ausfallen, können wir meist nichts anderes machen, als ein paar Arbeitsblätter auszuteilen. Unterricht ist so nicht mehr möglich. Ersatzlehrkräfte gibt es ja keine!“ Götz Bibra sah eine weitere Frau an einem anderen Mikrofon: „Da hinten, bitte!“ „Guten Tag, Kolleginnen und Kollegen, Landräte, Herr Ministerpräsident. Mein Name ist Borgau. Ich leite eine Sekundarschule“, begann Marie Borgau. „Wir haben einfach nicht genug Platz. Ich hatte das schon mehrfach angesprochen und auch an das Schulamt und an den Landrat geschrieben.“ Bibra hakte ein: „Probleme mit Eltern haben Sie aber keine?“ Borgau antwortete: „Wir haben von Anfang an das Gespräch gesucht und versucht, mit den Eltern zusammenzuarbeiten. Das funktioniert nicht immer zu hundert Prozent reibungslos. Wir lassen aber keine Konflikte hochkochen und suchen immer sofort das Gespräch. Aber wir haben nicht genug Platz für alle Eltern, die im Unterricht anwesend sein wollen.“ Bibra fragte: „Aber laut Verordnung vom … ähm … laut Verordnung dürfen eigentlich maximal drei Eltern im Unterricht anwesend sein. Haben Sie das nicht durchgesetzt?“ Borgau antwortete: „Das habe ich natürlich versucht. Das ist aber nicht machbar. An unserer Schule sind zwölf Klagen deswegen anhängig. Eine Mutter hatte bereits eine einstweilige Anordnung vor Gericht erwirkt, weil das Gericht eine Diskriminierung gesehen hat, wenn ein viertes Elternteil nicht mit im Unterricht anwesend sein darf. Danach ist der Damm natürlich gebrochen. Da nützt der Runderlass gar nichts.“ Aus einer anderen Ecke des Saals rief eine Stimme: „Vierzehn Klagen bei uns!“ Quer durch den Saal schallte es: „Siebzehn Klagen!“, „Neunzehn Klagen!“, „Zwanzig Klagen!“, als ginge es um eine Auktion, bei der sich alle überboten. Borgau führte weiter aus: „Sie sehen, das ist nicht durchsetzbar! Und das schafft erst richtige Probleme und verhindert eine gute Zusammenarbeit mit den Eltern. Wann wird die Schule erweitert?“ Bibra ließ den Blick durch den Saal wandern, um Mario Wallroda ausfindig zu machen. Als er ihn sah, forderte er ihn auf: „Mario Wallroda. Ihre Schule wurde bereits als Pilotprojekt erweitert. Vielleicht können Sie dazu etwas über Ihre positiven Erfahrungen sagen. Bitte ans Mikrofon!“ Wallroda erhob sich langsam. Ihm war anzusehen, dass er eigentlich nicht sprechen wollte, und trat ans Mikrofon: „Ja, was soll ich sagen? Unsere Schule wurde hinsichtlich der Kapazitäten erweitert. Die Erweiterung sieht so aus, dass die Hälfte des Schulgeländes mit einem dreistöckigen Containerbau vollgestellt wurde. Eigentlich war gedacht, dass die Klassenstärken verringert werden. Das hätte bedeutet, dass wir doppelt so viele Lehrkräfte benötigt hätten. Wie es mit Lehrkräften aussieht, muss ich hier niemandem erklären. Die Containerklassenräume sind sehr groß geworden, damit bei 30 Schülern auch noch einmal 30 Eltern Platz haben. Im Schulgebäude wurden die Wände zwischen jeweils zwei Klassenräumen herausgenommen, um größere Räume zu schaffen. Das rettet uns allerdings nicht vor den Problemen, die auch schon die Kolleginnen und Kollegen angesprochen haben. Und eine Dauerlösung ist so ein Containerbau auf keinen Fall. An ein paar Stellen rostet es schon. Wenn die Schüler zur Pause oder in die Klassenräume gehen, schwingt der Fußboden. In den Herbst- und Wintermonaten ist es kalt, die Heizungsanlage schafft das nicht. In den Sommermonaten ist es heiß, eine Klimaanlage gibt es nicht. Und da die Räume nun doppelt so groß sind, müssen die Lehrkräfte dauerhaft lauter sprechen. Die Akustik ist schlecht. Das geht extrem auf die Stimmbänder. Dadurch fallen wiederum Lehrkräfte aus, die wochen- oder monatelang ihre Stimmen schonen müssen. Soweit die Erfahrungen. Ob die positiv sind? Ich weiß es nicht!“ Bibra schaute zu Ministerpräsident Reiner Hasselbach. Dieser schaltete sein Mikrofon ein: „Wir haben bundesweit diese Herausforderungen – einerseits den Lehrkräftemangel, andererseits die baulichen Gegebenheiten. Wir sind hierzu im Gespräch mit der Bundesregierung, um Lösungen zu erörtern.“ Torsten Kahlwinkel hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl und ging straffen Schrittes an das nächste Mikrofon: „Herr Ministerpräsident, wir brauchen sofort Lösungen. Erörtern heißt für mich, dass die große Politik mal wieder keinen Plan hat.“ Bibra ging dazwischen und versuchte, den Ton zu mildern: „Könnten Sie uns bitte Ihren Namen nennen?“ „Torsten Kahlwinkel, seit einem halben Jahr Landrat. Dieses ganze Thema habe ich mir auf die Fahne geschrieben, weil die Zustände nicht mehr haltbar sind“, führte er aus. Bibra wusste spontan nicht, wie er reagieren sollte, blickte zur Seite und sagte: „Herr Ministerpräsident.“ Hasselbach schaltete wieder sein Mikrofon ein: „Wir sind bislang noch bei der Planung und Erhebung, welche Schulen wie erweitert werden müssen, ob geschlossene Schulen wieder geöffnet werden können, ob diese zuvor saniert werden müssen und was das alles kostet. Bisher sind wir in unserem Bundesland auf eine Summe von 38,3 Milliarden Euro gekommen. Uns geht es darum, Fördermittel vom Bund zu bekommen. Doch Bildung – das wissen Sie – ist Ländersache. Wir wurden alle ziemlich überfahren von den Entwicklungen in dieser Sache.“ Kahlwinkel fragte nach: „Wie viel Förderung soll es denn geben? In unserem Landkreis gibt es sechs Gymnasien und zehn Sekundarschulen. Dazu kommen noch einmal 29 Grundschulen.“ Hasselbach ergänzte: „Geplant ist eine 90-prozentige Förderung.“ Kahlwinkel fiel fast aus allen Wolken: „Herr Ministerpräsident! Bei uns im Landkreis würde eine 90-prozentige Förderung einen zusätzlichen Eigenanteil von 143 Millionen Euro bedeuten. Viele Städte und Gemeinden als Schulträger im Landkreis stehen unter Zwangsverwaltung, weil sie nicht genug Geld haben. Auch dem Landkreis selbst steht das Wasser bis Unterkante Oberlippe. Seit der letzten Krise sind uns die Steuereinnahmen weggebrochen. Wir haben das Geld nicht!“ Hasselbach versuchte zu beschwichtigen: „Kommunen unter Zwangsverwaltung werden vom Landkreis sicherlich die notwendige Unterstützung bekommen.“ Kahlwinkel war kurz vorm Platzen: „Wir – der Landkreis und die Kommunen – haben das Geld nicht. Wir mussten unsere freiwilligen Aufgaben fast auf null reduzieren! Wir sind pleite! Wir brauchen 100 Prozent Förderung. Warum kommt nichts vom Land?“ Hasselbach schaltete erneut sein Mikrofon ein: „Wir wissen um die besondere Situation und sind uns der Herausforderungen bewusst. Der Landeshaushalt bietet derzeit keine Möglichkeiten, hier größere Investitionen zu tätigen. Auch das Land leidet noch unter der letzten Krise. Deswegen haben wir diese Tagung einberufen, um Lösungen zu finden, die uns alle weiterbringen.“ Kahlwinkel fragte nach: „Also kommt vom Land nichts und die Landkreise und Kommunen werden alleingelassen?!“ Götz Bibra versuchte, die angespannte Situation zu retten: „Da hinten ist eine weitere Wortmeldung. Danke, Herr Kahlwinkel. Da hinten bitte sehr!“ „Guten Tag. Mein Name ist Britta Pleismar. Ich wurde erst seit Kurzem mit dem Sachverhalt für unseren Landkreis betraut und wollte aus erster Hand wissen, warum wir in dieser Situation sind. Früher waren Eltern im Unterricht doch auch nicht anwesend“, sagte Britta Pleismar. Ein Raunen ging durch den Saal, das erkennen ließ, dass vielen die Gründe für die Misere nicht ganz nachvollziehbar waren. Bibra blickte zu Ministerpräsident Hasselbach, der jedoch keine Regung zeigte. Dann schaute Bibra zu Regierungsrat Schimmel: „Zu den rechtlichen Hintergründen kann uns Regierungsrat und unser Fachmann für Rechtsfragen, Herr Schimmel, etwas sagen.“ Regierungsrat Schimmel hatte eigentlich gehofft, nicht zu Wort kommen zu müssen. Zögerlich schaltete er sein Mikrofon ein und sagte: „Das ist eine verzwickte Angelegenheit.“ Aus den hinteren Reihen rief jemand: „Lauter!“ „Das ist eine verzwickte Angelegenheit! Ich habe mir den gesamten Vorgang erklären lassen. Ursprünglich ging es darum, dass ein Kind mit Behinderung im Rahmen der Inklusion ein Recht auf Teilhabe am gemeinsamen Unterricht hat. Dafür wird eine Integrationshilfe vom Sozialamt finanziert. Die Eltern wollten das unbedingt über ein persönliches Budget regeln und waren teilweise selbst mit im Unterricht anwesend. Das hat – so wie bei Ihnen auch – den Lehrkräften nicht gefallen. Auf Drängen der Schulleitungen und Lehrkräfte hatte das zuständige Sozialamt im Burgenlandkreis zusammen mit der Sozialagentur in Halle argumentierte, dass der Schulbesuch zu den elterlichen Beistandspflichten gehört, um das persönliche Budget kündigen beziehungsweise verweigern zu können, wenn Eltern oder Angehörige im Unterricht anwesend sind. Man wollte Eltern und Angehörige nicht für die Integrationshilfe bezahlen und dadurch deren Anwesenheit verhindern. Und das hat sich dann hochgeschaukelt.“ Britta Pleismar fragte nach: „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, war das Problem, dass ein Elternteil eines einzigen Kindes im Unterricht anwesend war?“ Schimmel bestätigte: „Ja.“ „Was war daran genau das Problem?“, wollte Pleismar wissen. Schimmel ergänzte: „Das war eine rechtliche Frage. Das Sozialrecht, so wie es damals vom zuständigen Sozialamt und in der Folge auch von der Sozialagentur des Landes Sachsen-Anhalt ausgelegt wurde, bot nach deren Auffassung keine Möglichkeit, dass Eltern oder Angehörige die Integrationshilfe für ihr Kind übernehmen und dafür bezahlt werden.“ Britta Pleismar fragte erneut: „Und das Kind hatte dann keine Integrationshilfe?“ Schimmel erwiderte: „Doch, also meistens hatte das Kind eine Integrationshilfe. Aber es galt die Maßgabe, dass diese nicht von Eltern oder Angehörigen durchgeführt werden durfte. Deshalb wurde das persönliche Budget verweigert und ein externer Träger eingesetzt.“ Pleismar fragte weiter: „War das billiger?“ Schimmel antwortete knapp: „Billiger war es nicht. Es ging mehr ums Prinzip der Gesetzeslage.“ Pleismar hakte nach: „Und da gab es keine Möglichkeit, die Gesetze anders auszulegen?“ Schimmel sagte genervt: „Zum damaligen Zeitpunkt sahen die Verantwortlichen keine andere Möglichkeit, als sich strikt an die Gesetze zu halten, auch wenn die Gesetze in anderen Bundesländern anders ausgelegt wurden.“ „Warum wurden überhaupt solche Gesetze erlassen?“, fragte Pleismar. Schimmel antwortete zögerlich: „Es wurden hierzu keine neuen Gesetze erlassen. Es gibt das Grundgesetz, Artikel 6, sowie § 1618 BGB, der – soweit ich weiß – 1980 ins Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen wurde. Möglicherweise im Zuge einer Reform des Sozialrechts, um den Staat von Sozialkosten zu entlasten, indem Beistandspflichten auf Eltern übertragen werden konnten. Diese Gesetze gibt es also schon länger.“ „Und warum müssen wir uns dann jetzt plötzlich an diese Gesetze halten, wenn es vorher niemanden interessiert hat?“, fragte Pleismar. „Sie wissen doch, dass es ein Grundprinzip der Verwaltung ist, Dinge, die Verwaltung und Politik nicht umsetzen wollen, auf die lange Bank zu schieben“, erklärte Schimmel. „Wenn die Verwaltung von etwas keine Kenntnis hat, ist das schon einmal hilfreich. Außerdem gilt das Prinzip: Wo kein Kläger, da kein Richter. Niemandem war offiziell die Rechtslage so konkret bekannt oder bewusst, also wurde nicht reagiert. Nach dem dieser Sachverhalt weitläufiger bekannt wurde, war es jedoch nicht mehr möglich, diesen Weg weiterzugehen, weil zu viele Eltern davon erfahren hatten und ihre Rechte durchgesetzt hatten.“ Britta Pleismar überlegte kurz: „Wenn ich das jetzt richtig zusammenfasse, sitzen wir hier, weil es ein einziges Kind gab, dessen Eltern oder Angehörige die Integrationshilfe übernehmen wollten. Das wollten die Sozialbehörden des Burgenlandkreises und des Landes Sachsen-Anhalt nicht. Es ging denen ums Prinzip und darum, mit den Schulen zu verhindern, dass Eltern überhaupt im Unterricht anwesend sind. Eingespart wurde nichts. Trotzdem wurde darauf bestanden, dass der Schulbesuch zu den Beistandspflichten gehört. Und deswegen haben wir jetzt diese Probleme: Uns brechen die Lehrkräfte weg, die Unterrichtsversorgung ist nicht mehr gewährleistet, und das Ganze kostet Milliarden, die nicht vorhanden sind. Aber niemand von den vielen Beteiligten war weitsichtig genug, das rechtzeitig zu stoppen, ein Auge zuzudrücken und die Eltern für die Integrationshilfe trotzdem zu bezahlen. Habe ich das richtig verstanden?“ Im Saal herrschte Totenstille. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Schimmel schaute zur Seite, um Bibras Reaktion abzuschätzen. Dieser blickte regungslos, mit paralysiertem Blick und hochrotem Kopf, durch den Raum. Schimmel schaute weiter zu Hasselbach. Der rührte mit gesenktem Blick in seiner Kaffeetasse, obwohl diese bereits zu zwei Dritteln leer war. Ab und zu machte es bing, wenn der Löffel die Tasse berührte. Hasselbach trank seinen Kaffee immer schwarz. Zu rühren gab es da eigentlich nichts. Schimmel blickte wieder nach vorn, beugte sich langsam zum Mikrofon und sagte: „Ja.“ Elterliche Beistandspflicht und SchulbesuchDer Schulbesuch eines minderjährigen Kindes unterliegt nicht ausschließlich der Organisations- und Regelungshoheit der Schule oder des Landes. Er ist vielmehr Teil der elterlichen Verantwortung und Pflicht, wie sie sich unmittelbar aus dem Grundgesetz und dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergibt.1. Verfassungsrechtliche Grundlage (Art. 6 GG) Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes bestimmt unmissverständlich: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Diese Norm begründet nicht lediglich ein Abwehrrecht der Eltern gegen staatliche Eingriffe, sondern eine verbindliche Pflicht. Die Verantwortung der Eltern ist umfassend angelegt und erfasst sämtliche Lebensbereiche des Kindes. Der Schulbesuch ist integraler Bestandteil der Erziehung und damit von Art. 6 GG unmittelbar umfasst. Der Staat – einschließlich der Schule – besitzt insoweit lediglich eine Aufsichts- und Ergänzungsfunktion. Ein genereller oder pauschaler Ausschluss elterlicher Mitwirkung oder Anwesenheit im Unterricht ist mit Art. 6 GG nicht vereinbar. 2. Zivilrechtliche Konkretisierung (§ 1618 BGB) Die elterliche Pflicht wird durch § 1618 BGB weiter konkretisiert. Dort heißt es: „Eltern und Kinder sind einander Beistand und Rücksicht schuldig.“ Der Begriff des Beistands ist gesetzlich bewusst weit gefasst. Er ist weder zeitlich noch räumlich begrenzt. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich darauf verzichtet, bestimmte Lebensbereiche – etwa Schule oder Unterricht – von der Beistandspflicht auszunehmen. Daraus folgt zwingend: Wenn Eltern es für erforderlich halten, ihrem Kind im schulischen Kontext Beistand zu leisten, ist dies Teil ihrer gesetzlichen Pflicht. Die Anwesenheit im Unterricht stellt eine zulässige und rechtlich gedeckte Form dieses Beistands dar. 3. Keine Einschränkung durch Landesrecht möglich Schulgesetze, Schulordnungen und Verwaltungsvorschriften sind Landesrecht. Art. 31 GG stellt klar: „Bundesrecht bricht Landesrecht.“ Da Art. 6 GG und § 1618 BGB Bundesrecht sind, können landesrechtliche Schulvorschriften diese Pflichten nicht einschränken oder aufheben. Regelungen, die die Anwesenheit von Eltern im Unterricht pauschal begrenzen oder verbieten, sind insoweit rechtlich unbeachtlich, soweit sie mit den bundesrechtlich begründeten Elternpflichten kollidieren. 4. Pädagogische Erwägungen der Schule Pädagogische Einschätzungen, wonach die Anwesenheit von Eltern im Unterricht „nachteilig“ oder „schädlich“ für das Kind sei, haben keine rechtliche Vorrangstellung gegenüber den Elternrechten und -pflichten aus Art. 6 GG. Die Entscheidung darüber, wie elterlicher Beistand konkret ausgestaltet wird, obliegt grundsätzlich den Eltern selbst. Erst bei einer nachweisbaren, konkreten Gefährdung des Kindeswohls darf der Staat eingreifen. Abstrakte pädagogische Erwägungen reichen hierfür nicht aus. 5. Ergebnis Der Schulbesuch eines Kindes ist Teil der elterlichen Pflege- und Erziehungspflicht. Eltern sind nach Art. 6 GG und § 1618 BGB verpflichtet, ihren Kindern Beistand zu leisten. Diese Pflicht kann auch die zeitlich unbegrenzte Anwesenheit im Unterricht umfassen. Schulische oder landesrechtliche Regelungen können diese Pflicht nicht einschränken. Die letztverantwortliche Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang Eltern im Unterricht anwesend sind, liegt rechtlich bei den Eltern selbst. Verfasser: АИИ und Michael Thurm | 19.12.2025 |
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